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Soldaten als Schulmeister – typisch preußisch?

Immer wieder kann man lesen, dass im Preußen des 18. Jahrhunderts der Unterricht in den ländlichen Elementarschulen hauptsächlich von invaliden Unteroffizieren und Soldaten erteilt worden sei. Diese populäre Vorstellung passt offenbar so gut zum verbreiteten Bild des rauen Militärstaates, dass sie auch ohne Quellenbeleg Eingang in etliche historische Darstellungen gefunden hat. [1] Und doch handelt es sich hier um eine Legende, wie Wolfgang Neugebauer in seiner Dissertation „Absolutistischer Staat und Schulwirklichkeit in Brandenburg-Preußen“ auf breiter empirischer Basis nachgewiesen hat. Zwar verfügte eine Kabinettsorder Friedrichs II. vom 31. Juli 1779, dass invalide Soldaten, die lesen, schreiben und rechnen könnten, bevorzugt als Schulmeister beschäftigt werden sollten. Doch von mehr als 4000 Invaliden genügten damals nur 79 einer ersten Prüfung durch das Generaldirektorium, und nur ein Bruchteil von diesen gelangte schließlich auf eine Schulstelle. [2] Unter den brandenburgischen Landschullehrern des 18. Jahrhunderts erreichte der Anteil ehemaliger Soldaten gerade mal 5 %; bei der großen Mehrheit von ihnen handelte es sich um Handwerker, und zwar überwiegend Schneider. [3]

[1] Vgl. z.B. Karl Otmar Freiherr von Aretin, Vom Deutschen Reich zum Deutschen Bund, Göttingen 1980, S. 29; Friedrich-Wilhelm Henning, Das vorindustrielle Deutschland 800 bis 1800, Paderborn 1977, S. 251. - Vorsichtiger war da zu Recht der Nicht-Historiker Theodor Adorno, der sich in seinem Vortrag „Tabus über dem Lehrerberuf“ skeptisch zeigte, inwieweit diese für das Bild des Lehrers „ungemein charakteristische“ Vorstellung den Tatsachen entspreche. In: Erziehung zur Mündigkeit, Frankfurt a.M. 1973, S. 77.

[2] Wolfgang Neugebauer, Absolutistischer Staat und Schulwirklichkeit in Brandenburg-Preußen, Berlin/ New York 1985, S. 352-363. Dort auch weitere Belege für die oben referierte Legende.

[3] Ebd., S. 322 f. (Tab. 13 und 13a). - Vgl. auch Rainer Bölling, Sozialgeschichte der deutschen Lehrer, Göttingen 1983, S. 54